Erste Gedanken zum Wahlergebnis

Die Wahlergebnisse sind 48 Stunden alt, die ersten Analysen sind gemacht. Doch es gibt immer noch einiges zu verdauen.

Da ist zum einen das Abschneiden von uns, Bündnis90/Die Grünen. Wir haben zwar das zweitbeste Ergebnis bei einer Bundestagswahl jemals geholt und stehen besser da als am 06.11. Zwischenzeitlich standen wir bei 15%+ und es haben sich viele wohl noch mehr erhofft, gerade auch durch unseren Kanzlerkandidaten Robert Habeck.

Da ist zum anderen aber auch das Abschneiden der Rechtsradikalen, das keine:n Demokrat:in wirklich beruhigend schlafen lassen kann. Die AfD erhält 24,1% der Sitze im deutschen Bundestag und erstmals in der Nachkriegsgeschichte ist eine rechtsradikale Partei zweitstärkste Kraft geworden. Gott sei Dank sind es nicht 25% geworden, denn damit könnte sie Untersuchungsausschüsse alleine einsetzen, Normenkontrollklagen vor dem Bundesverfassungsgerichts beantragen, Sondersitzungen des Bundestages verlangen oder eine Enquete-Kommission einsetzen lassen. Daran sind wir aber nur knapp vorbeigeschreddert.

Ich habe auch im Wahlkampf gemerkt, wie polarisiert die Gesellschaft geworden ist. Dazu müssen sich alle demokratischen Parteien an der Nase fassen. Meiner Wahrnehmung nach haben dazu trotzdem in erster Linie Friedrich Merz und Markus Söder beigetragen. Friedrich Merz Wort- und Tabubruch, die Stimmen der AfD billigend in Kauf zu nehmen, hat polarisiert. Die Aussagen von ihm am Vorabend der Wahl, in dem er alle Menschen bei Demos gegen Rechts als “grün-linke Spinner, die nicht mehr alle Tassen im Schrank haben” bezeichnet, haben das Fass ein zweites Mal zum überlaufen gebracht. Friedrich Merz hat einst aufgerufen, die AfD halbieren zu wollen, in der Zeit seit er Parteivorsitzender ist, hat sie sich verdoppelt. Da müssen wir alle Demokrat:innen uns an der Nase fassen und selbstkritisch sein. Trotzdem hat Friedrich Merz die Spaltung der Gesellschaft selbst aus führender Rolle aktiv vorangetrieben. Genauso Markus Söder, dessen Hauptton das Einhauen auf uns Grüne war, die AfD aber letztlich nur gestärkt hat. Beide sollten umdrehen, in der Rhetorik massiv abrüsten und in die Mitte zurückkommen. 

Was mir allerdings Mut macht: Die Gesellschaft ist wachgerüttelt, das sieht man nicht zuletzt an der hohen Wahlbeteiligung, und auch bei den massiven Parteieintritten bei uns Grünen – über 45.000 Menschen in drei Monaten! Dazu beigetragen hat auch unser Kanzlerkandidat Robert Habeck, der nicht nur der Sympathischste, Ehrlichste und meinen Augen auch Kompetenteste der ganzen Auswahl war. Er ist ein politisches Ausnahmetalent und wir müssen ihm dankbar sein, dass wir die Abkehr von russischen Gas so schnell geschafft haben und es keinen Blackout-Winter gab. Trotzdem hat er, haben wir als Bündnis90/Die Grünen im Wahlkampf Fehler gemacht, die wir aufarbeiten müssen, wie u.a. die unvorbereitete Diskussion um Besteuerung von hohen Kapitalerträgen oder der 10-Punkte-Plan der Migrations- und Sicherheitspolitik vermischt. Das werden wir als Partei jetzt gemeinsam aufarbeiten. Meiner Meinung nach, wäre es auch richtig gewesen, die Bündnisfähigkeit mit allen demokratischen Parteien zu betonen, eine Koalition mit Friedrich Merz aber auszuschließen. Dieser hat sich mit vielen frauenpolitischen Aussagen und mit seinem Wortbruch für nicht kanzlerfähig gezeigt und durch seine populistischen Töne die Gesellschaft weiter gespalten. Dass Robert Habeck aus der ersten Reihe zurücktritt, finde ich wirklich bedauernswert, aber zolle ihm großen Respekt – er wird dennoch eine große Lücke reißen.

Ich habe allerdings auch Sorge, gerade aufgrund der weltpolitischen Lage. Die USA lässt Europa hängen und will die Ukraine zu einem Diktatfrieden erpressen, der Russland und anderen autoritären Staaten zeigen wird, dass es sich lohnt, militärische Grenzen zu verschieben. Ich bin gespannt, wie hier eine Lösung im neuen Bundestag gefunden werden kann, auch aufgrund der Anti-NATO-Haltung von “Die Linke”. Klar wünsche ich mir eine Welt ohne Waffen, doch das ist eine Utopie, wo Imperialisten wie Putin Länder lenken.

Persönliches Ergebnis

Auch von meinem persönlichen Ergebnis war ich erst enttäuscht, weil es doch ein gutes Stück hinter den eigenen Erwartungen zurückgeblieben ist. Wir haben das Ergebnis von 2021 im Wahlkreis nicht verbessert, waren in der Stadt Erlangen nicht stärkste Kraft und der Abstand beim Direktmandat gegen die CSU war am Ende doch rießig. Mit etwas Abstand sehe ich das Ergebnis und unser lokal Erreichtes aber etwas positiver. Wir haben in Erlangen deutlich weniger verloren als in anderen bayerischen Großstädten und haben das beste grüne Wahlergebnis aller bayerischer Großstädte erreicht – darauf kann man stolz sein. 

Es hat mir Mut gegeben, wie viele Menschen hier aktiv im Wahlkampf mitgeholfen haben – allein in Erlangen über 130 und damit ca. doppelt so viele wie bei den Wahlkämpfen zuvor. Wir haben an 12.000 Haustüren geklingelt (auch fast doppelt so viel wie Wahlen zuvor), wir haben einen digitalen Wahlkampf hingelegt wie noch nie und auch lokal Spenden in Rekordhöhe eingenommen. 

Auch wenn die Ergebnisse bundesweit und im Wahlkreis ernüchternd sind und nicht zufriedenstellen, ihr habt hier alle miteinander unglaubliches geleistet, das man auch in den Wahlergebnissen sieht. Wir haben nun die Basis gelegt. Lasst uns nun daran anknüpfen, die Strukturen ausbauen und professionalisieren, Ortsverbände gründen, Arbeitsgruppen gründen und mehr Aktionen und Veranstaltungen auch unabhängig von den Wahlen organisieren. Mit euch können wir hier zukünftig neue Dimensionen erreichen und wieder bessere Wahlergebnisse feiern. 

Es lohnt sich zu kämpfen, sich politisch einzumischen und zu engagieren. In diesen schwierigen Zeiten, wo die Demokratie von innen wie außen unter Druck steht, lohnt es sich. Es ist Zeit, sich politisch zu engagieren und gesellschaftlich einzubringen, bevor es zu spät ist!

Danke euch allen für euer unglaubliches Engagement, für euren Einsatz. Es war mir eine große Freude und Ehre, euer Direktkandidat für die Bundestagswahl gewesen zu sein. Ich werde weitermachen für eine nachhaltige und gerechte Gesellschaft zu kämpfen. Wo dabei meine genaue Rolle ist, werde ich sehen – auch nach vielen Gesprächen.